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Urteil Versicherungsgericht (SG - AHV 2018/14)

Zusammenfassung des Urteils AHV 2018/14: Versicherungsgericht

A. hat bei der Ausgleichskasse MOBIL eine Rentenvorausberechnung beantragt, die verschiedene Szenarien für den Rentenbeginn enthielt. Nach einem Vorbezug der Rente im Februar 2018 erhielt A. nur eine deutlich niedrigere Rente als erwartet. Er legte Einspruch ein, der jedoch abgewiesen wurde. In der folgenden Beschwerde forderte A. die Auszahlung der in der Vorausberechnung genannten Rentenbeträge. Die Beschwerdegegnerin wies die Beschwerde ab, da die Rentenvorausberechnung unverbindlich war. Das Gericht stellte fest, dass A. sich nicht auf den Vertrauensschutz berufen kann, da die Rentenvorausberechnung rein informativ war und keine rechtlichen Wirkungen entfaltete. A. konnte nicht nachweisen, dass er aufgrund der fehlerhaften Berechnung Schaden erlitten hatte. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und es wurden keine Gerichtskosten erhoben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AHV 2018/14

Kanton:SG
Fallnummer:AHV 2018/14
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:AHV - Alters- und Hinterlassenenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid AHV 2018/14 vom 24.02.2020 (SG)
Datum:24.02.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 9 BV. Vertrauensschutz. Eine Rentenvorausberechnung hat rein informativen Charakter und ist daher nicht rechtsverbindlich. Trotz fehlerhafter Rentenvorausberechnung ist nicht nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer gestützt auf die fehlerhaften Angaben der Ausgleichskasse Dispositionen getroffen hätte, die nicht mehr ohne Nachteil rückgängig zu machen wären (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 24. Februar 2020, AHV 2018/14). Beim Bundesgericht angefochten.
Schlagwörter: Rente; Renten; Alter; Rentenvorausberechnung; Altersrente; Vorbezug; Variante; Ausgleichskasse; Vorausberechnung; Antrag; Rentenalter; Vertrauen; Auskunft; Berechnung; Kürzung; Person; Recht; Voraussetzungen; Vertrauensschutz; Ehefrau; AHV-Rente; Frühpensionierung; Pension; Vorbezugs
Rechtsnorm: Art. 21 AHVG ;Art. 29 AHVG ;Art. 40 AHVG ;
Referenz BGE:106 V 72; 110 V 156; 111 V 72; 121 V 67; 131 V 480;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AHV 2018/14

Entscheid vom 24. Februar 2020

Besetzung

Versicherungsrichterinnen Michaela Machleidt Lehmann (Vorsitz), Marie Löhrer und

Marie-Theres Rüegg Haltinner; Gerichtsschreiberin Jeannine Bodmer Geschäftsnr.

AHV 2018/14

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführer,

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Rainer Braun, Oberdorfstrasse 6, Postfach 29, 8887 Mels,

    gegen

    Ausgleichskasse MOBIL, Wölflistrasse 5, Postfach 672, 3000 Bern 22,

    Beschwerdegegnerin, Gegenstand Altersrente Sachverhalt

    A.

    1. A. stellte am 24. Juni 2013 bei der Ausgleichskasse MOBIL (vormals Ausgleichskasse für das schweizerische Auto-, Motorrad- und Fahrradgewerbe, nachfolgend: Ausgleichskasse) einen Antrag auf Rentenvorausberechnung. Dabei gab er an, vom 1. April 1978 bis 31. Mai 2014 im Fürstentum Liechtenstein gearbeitet zu haben (act. G 1.1). Mit Unterschrift von gleichem Datum ersuchte auch seine Ehefrau B. die Ausgleichskasse um Vorausberechnung ihrer AHV-Rente (act. G 1.2).

    2. In der Rentenvorausberechnung der Ausgleichskasse vom 26. Juli 2013 für A. wurden vier Varianten mit je verschiedenen Zeitpunkten des Rentenbeginns aufgeführt. Nach Variante 1 sollte die Altersrente für den Antragsteller bei einem Vorbezug von zwei Jahren und somit ab Februar 2018 Fr. 850.-- betragen. Gemäss Variante 2 sollte die Altersrente für den Versicherten im Falle seines zweijährigen Vorbezugs sowie eines zweijährigen Vorbezugs durch seine Partnerin für ihn ab April 2019 eine Rente von

      Fr. 894.-- ergeben. Nach Variante 3 sollte die Altersleistung für den Versicherten bei einem Bezugsbeginn im Rentenalter, d.h. ab Februar 2020, Fr. 984.-- betragen und gemäss Variante 4, falls sowohl der Versicherte als auch seine Partnerin die Rente ab ihrem jeweiligen Rentenalter beziehen würden, für den Versicherten ab April 2021 eine Rente von Fr. 1'009.-- resultieren. Bei ihrer Berechnung ging die Ausgleichskasse für den Fall des zweijährigen Rentenvorbezugs von einer effektiven Beitragsdauer von 35 Jahren und einem Monat bzw. bei Verzicht auf einen Vorbezug von einer Beitragsdauer von 37 Jahren und einem Monat und jeweils von der Anwendbarkeit der Rentenskala

      37 sowie von massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen von Fr. 12'636.-- (Variante 1), Fr. 16'848.-- (Variante 2), Fr. 11'232.-- (Variante 3) und Fr. 15'444.--

      (Variante 4) aus (act. G 1.3).

    3. Am 2. Mai 2017 stellte der Versicherte den Antrag auf Vorbezug der Rente um zwei Jahre mit Beginn ab Februar 2018 (act. G 3.1, weitere Unterlagen).

    4. Mit Verfügung vom 5. März 2018 sprach die Ausgleichskasse dem Versicherten ab

      1. Februar 2018 eine um zwei Jahre vorbezogene AHV-Rente in Höhe von Fr. 185.-- pro Monat zu. Die Berechnung basierte auf einer Beitragsdauer von acht Jahren und drei Monaten, der Rentenskala 8 und einem massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen von Fr. 11'280.-- (Tabellenwert; act. G 3.1).

    5. Gegen diese Verfügung liess der Versicherte am 16. April 2018 durch Rechtsanwalt lic. iur. R. Braun, Mels, Einsprache erheben. Darin machte er geltend, dass er bei einer Rente von Fr. 185.-- pro Monat die Frühpensionierung nicht hätte verantworten können. Mit der Kürzung der Rente gegenüber der Vorausberechnung um fast 80% sei ihm ein irreparabler Schaden zugefügt worden. Er könne die Leistungsminderung nicht mehr verbessern und auch die der Bank im Zusammenhang mit der Aufnahme einer Hypothek vorgelegten Zahlen nicht einhalten. Da die vertrauensschutzrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien, sei er so zu stellen, wie wenn die Rentenvorausberechnung korrekt gewesen wäre (act. G 3.6).

    6. Mit Einspracheentscheid vom 21. Juni 2018 wies die Ausgleichskasse die Einsprache ab. Zur Begründung führte sie aus, gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts seien die Voraussetzungen zum Vertrauensschutz nicht erfüllt. Da die Rentenvorausberechnung an mehreren Stellen eindeutig und klar zum Ausdruck bringe, dass die Angaben provisorischer Natur sowie unverbindlich seien, werde aufgezeigt, dass die behördliche Information nicht zum vorneherein vorbehaltlos erteilt worden sei. Daher könne aus dem Grundsatz von Treu und Glauben kein Anspruch abgeleitet werden (act. G 1.6).

B.

    1. Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom

      16. August 2018 mit dem Antrag auf dessen Aufhebung und auf Ausrichtung einer Altersrente gemäss der Rentenvorausberechnung vom 26. Juli 2013. Es sei dem Beschwerdeführer ab Februar 2018 eine Rente von Fr. 850.-- pro Monat, ab April 2019 von Fr. 894.-- pro Monat, ab Februar 2020 von Fr. 984.-- pro Monat und ab April 2021 von Fr. 1'009.-- pro Monat auszurichten; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Der Beschwerdeführer begründet, er habe infolge von schwierigen Operationen vor Jahren eine Frühpensionierung in Betracht gezogen und bei sämtlichen beteiligten Versicherungsträgern die Rentenhöhen abklären lassen. Insgesamt habe sich ergeben, dass bei einem Vorbezug eine Rentenkürzung von gesamthaft knapp Fr. 18'000.-- pro Jahr resultieren würde. Mit den entsprechenden Angaben habe der Beschwerdeführer bei der Bank eine Hypothek abgeschlossen. Nachdem sich weder die gesetzlichen Bestimmungen noch seine persönliche Situation seit der Vorausberechnung geändert hätten, sei der Hinweis, die Berechnung sei nicht verbindlich, unbeachtlich. Auch habe er nicht erkennen können, dass für die Zeit, als er nicht in der Schweiz gearbeitet habe, die auf der Vorausberechnung von der Ehefrau gutgeschriebenen Einkommen und Erziehungsgutschriften nicht richtig gewesen seien. Dafür wären spezialisierte Gesetzeskenntnisse nötig gewesen. Auf Grund des Vertrauensschutzes sei der Beschwerdeführer so zu stellen, wie wenn die Rentenvorausberechnung korrekt gewesen wäre (act. G 1).

    2. Mit Beschwerdeantwort vom 3. September 2018 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. Da die Kriterien des Vertrauensschutzes nicht erfüllt seien, könne aus der falschen Rentenvorausberechnung auch kein Rentenanspruch in entsprechender Höhe resultieren (act. G 3).

    3. Mit Replik vom 25. September 2018 hält der Beschwerdeführer an seinen

      Anträgen fest. Zusätzlich zur Beschwerde führt er aus, dass unter Berücksichtigung der fehlerhaften Vorausberechnung eine weitere Rentenkürzung und somit ein Schaden von knapp Fr. 8'000.-- pro Jahr resultiere. Damit hätte er die Frühpensionierung nicht verantworten können, denn dieser Nachteil könne nicht mehr rückgängig gemacht

      werden. Zudem sei ungewiss, wie die hypothezierende Bank darauf reagieren werde.

      Dies sei noch offen (act. G 5).

    4. In der Duplik vom 7. November 2018 hält die Beschwerdegegnerin an ihren

Anträgen fest (act. G 7).

Erwägungen

1.

    1. Anspruch auf eine ordentliche Altersrente haben Männer, sofern sie das

      65. Altersjahr vollendet haben und ihnen für mindestens ein volles Jahr Einkommen, Erziehungs- Betreuungsgutschriften angerechnet werden können (Art. 21 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHVG; SR 831.10]). Der Anspruch auf die Altersrente entsteht am ersten Tag des Monats, welcher der Vollendung des gemäss Abs. 1 massgebenden Altersjahres folgt (Art. 21 Abs. 2 AHVG). Die ordentlichen Renten werden als Vollrenten (für Versicherte mit vollständiger Beitragsdauer) Teilrenten (für Versicherte mit unvollständiger Beitragsdauer) ausgerichtet (Art. 29 Abs. 2 AHVG). Männer und Frauen, welche die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine ordentliche Altersrente erfüllen, können die Rente ein zwei Jahre vorbeziehen. Der Rentenanspruch entsteht in diesen Fällen für Männer am ersten Tag des Monats nach Vollendung des 64. 63. Altersjahres. Die vorbezogene Altersrente wird gekürzt, wobei der Kürzungssatz nach versicherungstechnischen Grundsätzen festgelegt wird (Art. 40 AHVG).

    2. Ist war eine Person versichert, kann sie ihr Ehegatte die Altersrente vorausberechnen lassen (Art. 58 Abs. 1 der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHVV; SR 831.101]). Die Vorausberechnung erfolgt durch diejenige Ausgleichskasse, die bei Einreichung des Gesuchs für den Bezug der Beiträge zuständig ist (Art. 59 AHVV). Die Vorausberechnung erfolgt grundsätzlich nach den Art. 50 - 57 AHVV. Für die Vorausberechnung der Altersrente ist der Zeitpunkt des ordentlichen Rentenalters des Vorbezugs massgebend (Art. 60 Abs. 1 AHVV). Die Ausgleichskasse kann der Berechnung die Angaben im Antrag zugrunde legen (Art. 60 Abs. 2 AHVV). Sie beschafft sich die Kontoauszüge von Amtes wegen (Art. 60 Abs. 3 AHVV).

    3. Möchte somit eine versicherte Person wissen, wie hoch ihre künftige Altersrente

ausfallen wird, kann sie nach der genannten Bestimmung von Art. 58 Abs. 1 AHVV von

der Ausgleichskasse die Höhe der Rente vorausberechnen lassen, die ihr im Fall des Eintritts des Risikos Alter vermutungsweise zustehen würde. Es handelt sich hierbei um eine prognostische Rentenberechnung, zumal sich Rentenanspruch und Rentenhöhe auf Grund von Entwicklungen in den persönlichen Verhältnissen in der Rechtslage wesentlich verändern können (vgl. dazu Kreisschreiben des BSV über die Rentenvorausberechnung [KSRV], gültig ab 1. Januar 2001, Stand 1. Januar 2018, Rz 1002). Die Rentenvorausberechnung hat folglich keinen verbindlichen, sondern lediglich einen informativen Charakter. Sie entfaltet keine rechtlichen Wirkungen und bindet die Behörden nicht (Urteil des Bundesgerichts vom 6. Juli 2011, 9C_171/2011,

E. 6.1; MARCO REICHMUTH, in: Steiger-Sackmann/Mosimann [Hrsg.], Recht der Sozialen Sicherheit, Handbücher für die Anwaltspraxis, Basel 2014, Rz 24.77; vgl. dazu auch Ziff. 1 des Anhangs zum KSRV).

2.

    1. Vorliegend ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer ab 1. Februar 2018 Anspruch auf eine auf Grund des zweijährigen Vorbezugs gekürzte Altersrente von monatlich Fr. 185.-- hat, zumal weder der Rentenbeginn noch die Rentenhöhe in Frage gestellt werden. Ebenfalls unbestritten ist, dass die Rentenvorausberechnung fälschlicherweise nicht von einer Beitragsdauer von acht Jahren und drei Monaten und somit von der Rentenskala 8, sondern von einer solchen von 35 Jahren und einem Monat, der Rentenskala 37 sowie von einem zu hohen massgeblichen durchschnittlichen Jahreseinkommen ausging. Streitig und zu prüfen ist demgegenüber, ob dem Beschwerdeführer auf Grund der fehlerhaften behördlichen Auskünfte ein Entschädigungsanspruch zusteht, der ihm gemäss seinem Antrag ein Renteneinkommen in Höhe der Rentenvorausberechnung sichern sollte.

    2. Hinsichtlich des Beschwerdeantrags ist vorab festzuhalten, dass die Rentenvorausberechnung von vier verschiedenen Varianten ausging, welche auch als solche zu verstehen waren. Wenn der Beschwerdeführer fordert, es sei eine Altersrente nach allen vier Varianten auszurichten bzw. dass sie jeweils auf die genannten Termine zu erhöhen sei, übersieht er, dass den Varianten je vier verschiedene Szenarien zu Grunde lagen, die der Beschwerdeführer nicht alle zusammen hätte auswählen können. So ging Variante 1 davon aus, dass der Antragsteller seine Altersrente zwei Jahre vorbeziehen würde und Variante 2 davon, dass sowohl der Antragsteller als auch seine Ehefrau einen zweijährigen Vorbezug wählen würden, weshalb im Zeitpunkt des Rentenbeginns der Ehefrau ab April 2019 eine andere Rentenhöhe für den Beschwerdeführer resultieren würde. Variante 3 ging davon aus, dass der Beschwerdeführer keinen Vorbezug tätigen, sondern seine Altersrente erstmals im

      ordentlichen Rentenalter von 65 Jahren beziehen würde. Hätte auch seine Ehefrau ihre Altersrente erst ab dem Rentenalter 64 bezogen, wäre die Rente des Antragstellers ab April 2021 nochmals etwas höher ausgefallen (vgl. act. 1.3).

    3. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe sich auf Grund der in der Rentenvorausberechnung vom 26. Juli 2013 mitgeteilten Altersrenten dazu entschlossen, zwei Jahre vor dem ordentlichen Rentenalter in Pension zu gehen, da er eine Kürzung aller Rentenleistungen um insgesamt knapp Fr. 18'000.-- pro Jahr hätte akzeptieren können. Zudem habe sich auch seine Bank für die Gewährung einer Hypothek auf die in Aussicht gestellten Altersleistungen verlassen. Da nun aber eine weitere Kürzung um Fr. 8'000.-- erfolge, wisse er nicht, wie die Bank reagieren werde, wenn sie dies erfahre. Mit Rentenkürzungen von insgesamt Fr. 26'000.-- pro Jahr hätte er eine Frühpensionierung nicht verantworten können und auch nicht gemacht. Da er diese Entscheidung jedoch nicht mehr rückgängig machen könne, erleide er einen Schaden pro Jahr von knapp Fr. 8'000.-. Daher sei er gestützt auf den Vertrauensschutz so zu stellen, wie wenn die Rentenvorausberechnung korrekt gewesen wäre (vgl. act. G 1 und 5).

    4. Die Beschwerdegegnerin führt dagegen aus, dass die Kriterien des Vertrauensschutzes nicht erfüllt seien, so sei die Rentenvorausberechnung nicht vorbehaltlos ergangen und hätte der Beschwerdeführer auch erkennen müssen, dass gemäss dem Dreisäulenprinzip nach einer Pensionierung mit Versicherungsleistungen in der Höhe von 60% des letzten Brutto-AHV-Einkommens gerechnet werden könne. Da sich bei der Berechnung der Altersleistungen des Beschwerdeführers weit höhere Leistungen ergeben hätten als diese 60%, hätte ihm die falsche Rentenvorausberechnung auffallen müssen. Schliesslich seien betreffend Dispositionen im Hinblick auf die Frühpensionierung keine finanziellen Nachteile dargelegt, weshalb auch dieses Kriterium zu verneinen sei (act. G 3 und 7).

3.

    1. Abgeleitet aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 der Bundesverfassung [BV; SR 101]), der den Bürger und die Bürgerin im berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten schützt, können falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung der rechtsuchenden Person gebieten. Gemäss Rechtsprechung und Doktrin ist dies der Fall, 1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat; 2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war wenn die rechtsuchende Person die Behörde aus

      zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte; 3. wenn die Auskunft von der Behörde vorbehaltlos erteilt wurde; 4. wenn die Person die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte; 5. wenn sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können, und 6. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. Zürich 2016, Rz 667ff., vgl. auch BGE 131 V 480 E. 5 mit Hinweisen).

    2. Als Dispositionen im Sinne von Ziff. 5 gelten nach konstanter Rechtsprechung ( BGE 111 V 72 E. 4c, BGE 110 V 156 E. 4b, BGE 106 V 72 E. 3b) auch Unterlassungen. Erforderlich ist, dass die Auskunft für die darauffolgende Unterlassung ursächlich war. Ein solcher Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn angenommen werden kann, der Versicherte hätte sich ohne die fehlerhafte Auskunft anders verhalten. An den Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen Auskunft und Disposition bzw. Unterlassung werden nicht allzu strenge Anforderungen gestellt. Denn bereits aus dem Umstand, dass ein Versicherter Erkundigungen einholt, erwächst eine natürliche Vermutung dafür, dass er im Falle eines negativen Entscheides ein anderes Vorgehen gewählt

hätte. Der erforderliche Kausalitätsbeweis darf deshalb schon als geleistet gelten, wenn es auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung als glaubhaft erscheint, dass sich der Versicherte ohne die fragliche Auskunft anders verhalten hätte (vgl. BGE 121 V 67 E. 4b mit Hinweisen).

4.

    1. Vorliegend ist unbestritten, dass die Voraussetzungen Ziff. 1, 2 und 6 für den Vertrauensschutz (vgl. Erwägung 3.1) erfüllt sind, indem die Beschwerdegegnerin bei der Rentenvorausberechnung in einer konkreten Situation mit konkretem Bezug auf den Beschwerdeführer gehandelt hat und sie für die Vornahme einer Rentenvorausberechnung zuständig war. Schliesslich hat sich die Rechtslage seit der Auskunftserteilung bis zur Verwirklichung des Rentenbezugs ebenfalls nicht verändert. Demgegenüber ist das Vorliegen des Kriteriums der vorbehaltlosen Erteilung gemäss Ziff. 3 zu verneinen. So stand auf der Rentenvorausberechnung, dass sie "ohne Gewähr" erfolge. In fetter Schrift wurde weiter festgehalten: "Insbesondere kann aus dieser Berechnung kein Rentenanspruch abgeleitet werden." Schliesslich hielt ein ganzer Abschnitt über allgemein gültige Angaben zur Rentenvorausberechnung hinsichtlich der Verbindlichkeit der Rentenvorausberechnung fest, dass die Vorausberechnung auf den jetzigen persönlichen Verhältnissen und den gegenwärtig gültigen gesetzlichen Bestimmungen beruhe. Sowohl eine Änderung der persönlichen

      Situation (z.B. neuer Zivilstand, Arbeitslosigkeit, Auslandaufenthalt etc.) als auch eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen (z.B. Erhöhung des Rentenalters, neue Berechnungsregeln, AHV-Revisionen, etc.) könnten einen wesentlichen Einfluss auf den Rentenanspruch und die Rentenhöhe haben. Die Vorausberechnungen könnten deshalb nur einen orientierenden Charakter haben und seien für die Ausgleichskasse rechtlich unverbindlich (act. G 1.3). Auch wenn in diesem Abschnitt grundsätzlich

      davon ausgegangen wird, dass sich die Änderungen auf solche in der Person des Antragstellers und auf solche im Rahmen der rechtlichen Grundlagen beziehen, wird trotzdem auch für jeden anderen Fall eine rechtliche Verbindlichkeit mit ohne solche Änderungen ausgeschlossen. Weiter liegen klare Vorbehalte vor, wenn der Gewährsanspruch explizit ausgenommen und festgehalten wird, es könne kein Rentenanspruch aus dieser Vorausberechnung abgeleitet werden. Damit ist die Auskunft der Beschwerdegegnerin von vorneherein nicht vorbehaltlos erfolgt. Vielmehr handelt es sich um eine provisorische, rein informative und damit unverbindliche Mitteilung (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. April 2016, C-6377/2014,

      E. 4.4.1). Dass eine Rentenvorausberechnung damit per se wertlos sei, wie der Beschwerdeführer geltend macht (vgl. act. G 5), überzeugt nicht, weil sie trotzdem grundsätzlich bestimmte Anhaltspunkte über die zu erwartenden Leistungen geben sollte. Folglich fällt eine der Voraussetzungen für den Vertrauensschutz und damit die Möglichkeit, sich darauf zu berufen, trotz der fehlerhaften Berechnung dahin (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 6. Juli 2011, 9C_171/2011, E. 6.1).

    2. Hinsichtlich des Kriteriums, ob die Unrichtigkeit nicht ohne weiteres erkennbar war, ist dem Beschwerdeführer allerdings darin beizupflichten, dass er allein auf Grund seiner zu erwartenden Altersleistungen die Fehlerhaftigkeit der Vorausberechnung nicht unbedingt hätte bemerken müssen. Geht man nach allgemeiner Kenntnis davon aus, dass in der Schweiz sowie auch im Fürstentum Liechtenstein aus der ersten und zweiten Säule nach der Pensionierung Altersleistungen von ca. 60% des bisherigen Einkommens geleistet würden, um - wie es Art. 113 Abs. 2 lit. a BV vorsieht - die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise zu ermöglichen, hätte der Beschwerdeführer gemäss seinen Aufstellungen diese 60% nicht ganz erreicht, was für ihn wohl mit dem zweijährigen Vorbezug zu begründen gewesen wäre. Mit Bezug auf den im Jahr der Rentenvorausberechnung (2013) erzielten Jahreslohn gemäss dem Individuellen Konto (IK) des Beschwerdeführers von Fr. 92'840.-- ergibt sich ein Monatslohn von Fr. 7'737.-- (Fr. 92'840.-- / 12). Vergleicht man 60% davon, also Fr. 4'642.-- mit der Berechnung des Beschwerdeführers, welche ab 1. Februar 2018 ohne die Übergangsrente und ohne die AHV-Rente seiner Frau Leistungen von

      Fr. 4'365.-- beinhaltete (vgl. act. G 1.4), ging er somit von Leistungen aus der ersten

      und zweiten Säule von 56% des früheren Lohnes aus. Demgegenüber hätte er aber erkennen müssen, dass er mit einer Rente von Fr. 850.-- ab 1. Februar 2018, obgleich er lediglich acht Jahre in der Schweiz gearbeitet hatte, eine praktisch gleich hohe Rente erhalten sollte wie seine Ehefrau, die von 1975 bis 1978 und seit 1995 ununterbrochen in der Schweiz tätig gewesen war und ab April 2019 Fr. 872.-- erhalten sollte. Zwar bezog er einen höheren Lohn als sie, dennoch arbeitete sie zeitlich viel länger als er in der Schweiz und erbrachte viel mehr Beiträge. Auch standen die Einkommen, welche beim Beschwerdeführer durch seine eigene Erwerbstätigkeit berücksichtigt wurden, in keinem Verhältnis zu denjenigen, welche seine Frau durch die vielen Jahre hindurch erzielte. Da sich die Rente nach vielen verschiedenen Kriterien und somit nicht nur nach der Höhe des erzielten Lohnes pro Jahr berechnet, hätten diese Unstimmigkeiten auffallen müssen (act. G 3.6). Insgesamt kann jedoch offenbleiben, ob der Beschwerdeführer die Fehlerhaftigkeit hätte erkennen und die Rentenvorausberechnung in Frage stellen müssen, da auch das nachfolgende Kriterium zu verneinen ist.

    3. Selbst wenn die fehlerhafte Rentenberechnung dem Beschwerdeführer somit nicht hätte auffallen müssen, ist nicht ersichtlich, inwiefern er Dispositionen getroffen unterlassen hätte, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können, zumal ein Schaden beim Beschwerdeführer nicht ausgewiesen ist. Ob eine Altersrente im Rentenalter abgerufen vorbezogen wird, macht grundsätzlich keinen Unterschied. Wird eine Altersrente vorbezogen, erhält die versicherte Person für die Dauer des gesamten Rentenbezugs eine gekürzte Altersrente. Die Kürzung wird nach versicherungstechnischen Grundsätzen berechnet und zusammen mit den Renten periodisch der Lohn- und Preisentwicklung angepasst (vgl. Art. 40 und Art. 33ter AHVG

      i.V.m. Art. 56 Abs. 4 AHVV). Macht die versicherte Person vom Vorbezug Gebrauch, soll sie genau gleichgestellt werden, wie Personen, die ihre Altersrenten erst mit Erreichen des ordentlichen Rentenalters beziehen. Nach Ablauf der Vorbezugsdauer wird deshalb der Kürzungsbetrag neu festgesetzt. Massgebend für die Ermittlung des Kürzungsbetrages sind die Summen aller vorbezogenen Altersrenten, die Vorbezugsdauer und der entsprechende Kürzungssatz (6.8% 13.6%). Mit dem Kürzungsbetrag werden somit die vor Erreichen des ordentlichen Rentenalters bezogenen Altersrenten kompensiert (vgl. AHV-Merkblätter: 3.04 Leistungen der AHV, Flexibler Rentenbezug, Stand am 1. Januar 2020, Ziff. 4). Ein eigentlicher Schaden liegt damit nicht auf der Hand.

    4. Der Beschwerdeführer macht geltend, er hätte im Wissen um den tatsächlichen AHV-Rentenbetrag eine Frühpensionierung nicht verantworten können. Mit anderen

Worten macht er geltend, dass wenn er gewusst hätte, dass er ab 1. Februar 2018 nicht Fr. 850.--, sondern lediglich Fr. 185.-- monatlich erhalten würde, er bis zur ordentlichen Pensionierung weitergearbeitet hätte. Diese Behauptung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zwar ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer während den zwei Jahren des Rentenvorbezugs mit jährlich knapp Fr. 8'000.-- ([Fr. 850.-- -

Fr. 185.--] x 12) mehr an AHV-Renten aus der Schweiz gerechnet hatte, was nun eine Einbusse auf Grund der fehlerhaften Berechnung von knapp Fr. 16'000.-- ausmacht. Für den Entscheid, ob er bis zur ordentlichen Pensionierung weiter arbeiten sollte nicht, ging er somit davon aus, dass er ab 1. Februar 2018 jährlich Fr. 8'000.-- mehr Renteneinnahmen aus der schweizerischen AHV haben würde. Hätte er demgegenüber von Beginn an gewusst, dass er (zumindest am Anfang des Rentenbezugs) lediglich eine AHV-Rente von monatlich Fr. 185.--, also Fr. 2'220.-- jährlich erhalten würde, hätte er sich fragen müssen, ob er ab 1. Februar 2018 mit Rentenleistungen von monatlich

Fr. 6'020.-- (Fr. 2'320.-- Übergangsrente + Fr. 1'713.-- Altersrente der PK + Fr. 1'802.-- AHV FL + Fr. 185.-- AHV CH) bzw. ab 1. Juni 2018 mit monatlich Fr. 3'700.--

(Fr. 1'713.-- PK + Fr. 1'802.-- AHV FL + Fr. 185.-- AHV CH; immer ohne

Berücksichtigung der Rentenleistungen seiner Ehefrau, vgl. act. G 1.4) leben könnte bzw. ob er unter Einbusse bei der AHV von monatlich Fr. 29.-- dennoch seine Rente um zwei Jahre vorbeziehen sollte. Für die zwei Jahre AHV-Vorbezug betrug die effektive Kürzung bis zum Rentenalter insgesamt lediglich Fr. 696.-- (24 x Fr. 29.--). Da die Hauptkürzungen auf Grund der Vorbezüge bei den anderen Sozialversicherungen anfielen (vgl. act. G 5.1-6) und der Beschwerdeführer vom 1. Juni 2014 bis 31. Mai 2018 zusätzlich eine Übergangsrente erhielt, welche beim Verzicht auf eine Frühpensionierung weggefallen wäre, ist es kaum wahrscheinlich, dass er einzig auf Grund der sowieso vergleichsweise gering ausfallenden AHV-Rente die Pensionierung nicht vorgezogen, sondern noch vier weitere Jahre bzw. sogar bis Ende Januar 2020 gearbeitet hätte. Es fällt denn auch auf, dass im Antrag auf Rentenvorausberechnung vom 24. Juni 2013 als Ende des Arbeitsverhältnisses bereits der 31. Mai 2014 genannt wurde (act. G 1.1). Damit ist nicht dargetan, dass der Beschwerdeführer mit einer korrekten Rentenvorausberechnung bis zur ordentlichen Pensionierung weitergearbeitet und keinen Vorbezug gewählt hätte.

5.

Auch wenn der Ärger des Beschwerdeführers über die falsche Rentenvorausberechnung durchaus nachvollziehbar ist, ergibt sich gestützt auf die obigen Ausführungen, dass die Rentenvorausberechnung einen nicht rechtsverbindlichen, rein informativen Charakter aufweist. Dass der Beschwerdeführer im Vertrauen auf die Richtigkeit der Rentenvorausberechnung Dispositionen getroffen

unterlassen hätte, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden könnten, ist zudem nicht ausgewiesen. Damit kann sich der Beschwerdeführer mangels kumulativer Erfüllung aller sechs Voraussetzungen nicht auf den Vertrauensschutz berufen und es besteht keine Rechtsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch.

6.

Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu

erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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